Iguaçu – Die atemberaubenden Wasserfälle in Brasilien
UNESCO-Welterbe-Stätten haben es mir bereits seit jeher angetan, schließlich stellen die strengen Auswahlkriterien allein schon sicher, dass man ein außergewöhnliches Reiseziel antreffen wird.
So ging es mir auch vor vielen Jahren während einer Reise nach Brasilien. Ich suchte für das Wochenende nach einer „anderen“ Unterbrechung der langwierigen Vertragsverhandlungen; das komfortable Leben im Tophotel Rios, der Strand der Copacabana und das Schlürfen von Caipirinhas hatten sich „abgenutzt“, als mir ein lokaler Freund vorschlug, in den Süden des Landes, zu den Iguaçu-Wasserfällen zu fliegen, ein Unesco-Weltnaturerbe übrigens, auf das man hier sehr stolz sei. Ein „anständiges Hotel, direkt neben den Fällen“ gebe es dort auch und der Flug von Rio dauere nur zwei Stunden.
Iguaçu – kurz vor dem Lockdown
Ich danke dem Freund noch heute für seine Idee, denn ich kam fasziniert zurück: Die Bilder haben mich nie mehr richtig losgelassen und, mehr noch, das Tosen der Wassermassen; diese ungewöhnliche Lautkulisse hat sich in meinem Gehirn eingenistet und dort, emsig wie ein kleiner Virus, mich immer wieder daran erinnert und zart angefragt, ob und wann ich denn wohl wieder dorthin reisen würde.
Von Natur her bin ich kein „Wiederholungsreisender“, es gibt auf der Welt noch so vieles, auch Welterbe Stätten, die ich bisher nicht sehen konnte. Aber dieser kleine, immer wieder nagende Iguaçu-Virus war erfolgreich: Mitte Februar 2020 sah (und hörte) ich diesen grandiosen Teil der Welt für drei Tage wieder.
Welch ein Timing! Zwar plauderte man am Abend auf der Hotelterrasse beiläufig auch einmal über „diese neue Virusinfektion im fernen China“, aber eher recht zufrieden ob der Folgeerscheinung, dass die Besuchermassen am Iguaçu neuerdings wegen der Reisebeschränkungen für Chinesen spürbar übersichtlicher seien. Und wer bereits einmal erlebt hat, zu welcher Selfie-Gymnastik auf engstem Raum die durch regelmäßige Tai-Chi-Übungen prädestinierten Chinesen willens und fähig sind, sieht das egoistisch für seinen gerade beginnenden Besuch der Fälle erst einmal positiv.
Luxuriös wohnen: Fünf-Sterne Hotel „Das Cataratas“
Ich hatte als Standquartier für den Aufenthalt wieder das Fünf-Sterne Hotel „Das Cataratas“, jetzt unter Firmierung und Führung durch die Belmondgruppe, ausgewählt. Mir gefällt der portugiesische Kolonialstil, der dezente Luxus, die herrlichen Gärten, aber noch mehr die Lage. Umgeben von üppigem Regenwald bietet diese pastellrosa Oase nämlich als einziges im brasilianischen Teil des Naturparks gelegene Hotel exklusiven fußläufigen Zugang zum Park und zu den Fällen – lange bevor sich die Tore zum Park für die Besucherströme öffnen und natürlich auch danach beim Sonnenuntergang.
Im argentinischen Teil des Naturparks gibt es eine ähnlich exklusiv gelegene Unterkunft, das Fünf-Sterne Hotel Gran Meliá, auch fußläufig zu den Fällen und mit herrlichem Ausblick darauf. Im Vergleich zum Belmond Hotel ist man hier in einem modernen Zweckbau. Einen Vergleich konnte ich nur bei einem kurzen Stopp für Drinks durchführen: Der Unterschied zeigt sich eigentlich nur bei der Abrechnung, denn die erfolgte hier in argentinischen Pesos.
Iguaçu: Zwischen zwei Welten
Für den bisher mit dem Reiseziel Iguaçu nicht vertrauten Leser wird jetzt klar, dass wir uns im Grenzgebiet Brasilien-Argentinien befinden. Da die Wasserfälle an der Grenze zwischen dem spanischsprachigen Argentinien und dem portugiesischsprachigen Brasilien liegen, gibt es zwei korrekte Schreibweisen, spanisch: Iguazú und portugiesisch Iguaçu.
Seinen Name erhielt der Fluss lange vor der Kolonialisierung durch die Europäer von den dortigen Ureinwohnern, den Guaraní. Sie nannten ihn Yguasu, „großes Wasser“, denn sie waren wohl ähnlich wie wir heute überwältigt von dem riesigen nassen Spektakel der Wasserfälle, die der Fluss hier bietet. 25 Kilometer weiter gibt er dann sein Alleinstellungsmerkmal leise auf und mündet in den mächtigen Paraná, der letztlich nach langem weiteren Weg als Rio de la Plata den Atlantik bewässern wird.
Iguaçu: Wasserfälle der Superlative
Auf die Frage nach dem größten Wasserfall der Welt lautet meistens die Antwort: Niagara-Fälle… schließlich wird ja auch ständig „America first“ gepredigt. Aber die Antwort ist falsch und als eloquente „Besser-Wisserin“ haben wir mit Eleanor Roosevelt, der berühmten und unvergessenen First Lady der USA, eine beeindruckende Zensorin. Als sie die Iguaçu-Fälle zu sehen bekam, entfleuchte ihrem Mund das erschrockene Zitat „Oh, arme Niagara-Fälle“!
Ich kann diese Aussage nur zu gut versehen. Inmitten eines beeindruckenden Regenwaldes vollzieht sich entlang der Grenze zwischen Argentinien und Brasilien, die hier durch einen Fluss gebildet ist, ein gewaltiges nasses Schauspiel.
Da stürzen sich pro Sekunde 1.700 Kubikmeter, nach längeren und stärkeren Niederschlägen auch bis zu 7.000, im Extremfall sogar Wasserfluten von 17.000 mit gewaltigem Getöse auf einer Länge von 2.700 Metern in großen und kleinen Kaskaden, fast 300 sind es insgesamt, aus bis zu 80 Meter Höhe über Basaltklippen hinunter in einen später wieder sittsam daher fließenden Strom. (Nur dieses Satzungetüm kann all die Superlative zusammenführen)
Und hier sind dann noch die Vergleichszahlen für Statistiker: Die Iguaçu-Fälle sind breiter als die Victoriafälle in Afrika (Abbruchkante 1.700 Meter lang) und höher als die Niagarafälle in USA/Kanada mit 52 Metern. No fake!
Argentinien oder Brasilien: Die Qual der Wahl
Argentinien und Brasilien sind die glücklichen Anrainer dieser bedeutenden Touristenattraktion, beide haben ihren eigenen UNESCO-Nationalpark, zusammen sind es 250.000 Hektar. Beide teilen sich die Wasserfälle, aber dennoch geht auch in diesem wunderschönen Stück der Natur nichts ohne Grenzstationen und Passkontrolle: Wir sind ja schließlich nicht im Schengenraum… und zwei Währungen gibt es zudem, denn wir sind ja auch nicht im Euro-Raum. Wie so oft steigt die Wertschätzung europäischer/heimatlicher Errungenschaften besonders, wenn man sie nicht mehr nutzen kann?
Grundsätzlich gilt, dass man die Wasserfälle von beiden Seiten gut besuchen kann und auch der Grenzübertritt, wenn man seinen Pass bei sich führt, relativ einfach ist. Den besten Überblick über die gesamte Breite hat man von der brasilianischen Seite, hier findet man die perfekten Aussichtsplattformen für Breitbandblicke auf das Naturspektakel. Auf der weit größeren argentinischen Fläche kann man über die vielen umliegenden Trails sehr nahe an die Fälle gelangen. Wegen des Sonnenstands empfiehlt es sich, die brasilianische Seite am Vormittag und die argentinische Seite am Nachmittag zu besuchen
Besuchen muss man in jedem Fall beide Seiten; ob man letztlich in Brasilien oder Argentinien absteigt, hängt von eigenen persönlichen Präferenzen ab. Meine kennen Sie und in meinem Lieblingshotel lasse ich mich auch beraten hinsichtlich der Auswahl eines Führers und für die notwendigen Transportmöglichkeiten.
Die Iguaçu-Fälle aus der Vogelperspektive
Der schönste Moment war für mich auch diesmal wie in meiner Erinnerung: Die frühmorgendliche Wanderung mit nur wenigen Menschen vom Hotel, gemächlich auf einem Serpentinenpfad hinunter zum Fluss laufend, um an jeder Ecke oder Kurve einen neuen und sich in der Schönheit auch immer steigernden neuen Blick auf die Fälle genießen zu können. Schließlich erreicht man einen soliden gebauten Steg, der entlang einer gigantischen Wasserwand zur einer quasi im Zentrum der Fälle gelegenen Plattform führt: Hier erlebt man die brachiale Naturgewalt der Fälle. Hier erlebt man den tosenden, ohrenbetäubenden Klang der herunterstürzenden Wassermassen, hier fliegen auch mal Gischtmassen ins Gesicht: Diese Bilder und die monströse Akustik bleiben unvergesslich.
Es gibt Naturgenießer, die sich mit den auf den Trails und Stegen gesammelten Bildern und Geräuschen der Fälle vollsaugen und als Naturpuristen nichts anderes an sich heranlassen. Vielleicht darf ich aber doch einige Anregungen hinzufügen, die es verdienen, überdacht zu werden.
Zum Beispiel ein Panorama-Hubschrauberflug mit Helisul Aviation über die Fälle! Für mich ist der am brasilianischen Parkeingang angebotene und von dort startende Hubschrauberflug ein wirkliches Highlight, eines der Erlebnisse aus der Kategorie „once in a lifetime“, denn das hatte ich bei meinem ersten Besuch tatsächlich eingespart Die Geräuschkulisse der Fälle wird für knapp 15 Minuten durch die Rotorengeräusche ersetzt, aber das nimmt man gar nicht wahr, denn die neue Perspektive aus der Luft ist spektakulär anders und nimmt einen voll gefangen. Aber Achtung: Nur der Platz vorn neben dem Piloten oder ein Sitz an einem Fenster in der hinteren Dreierreihe machen das Erlebnis wirklich exzeptionell.
Die außergewöhnliche Lage der beiden Hotels im Naturpark springt aus der Heli-Perspektive ganz besonders ins Auge. Und auch nur aus diesem Blickwinkel wird die Länge der Abrisskante der Fälle und ihre vielfältige Struktur richtig erkennbar. Der Teufelsschlund wird, wenn man aus der Höhe in ihn hinschaut, seinem Namen erst wirklich gerecht. Und die Weite des Gipfeldaches im Regenwald erahnt man erst, wenn man zumindest einmal ein Stück darüber hinweg geflogen ist.
Ausflug zum Parque das Aves
Last but not least: Verpassen Sie nicht den größten Vogelpark Südamerikas, den Parque das Aves mit seinen 143 verschiedenen Vogelarten und über 1.300 Vögeln insgesamt. Er liegt unweit des Buchungsbüros und des Startplatzes für die Helikopterflüge. Es gibt einen ca. 1,5 Kilometer langen Wanderweg durch den reichen und üppigen Atlantischen Regenwald, den natürlichen Lebensraum der hier heimischen Vögel und Schmetterlinge. Sie werden den Black-fronted Piping-Guan und den Alagoas Curassow treffen (kannten Sie die bereits etwa vorher?), den unglaublichen Tukan mit seinem enormen Schnabel, scharlachrote Ibisse, aber auch diverse Greifvögel wie den Königsgeier beobachten oder gar einen Schwarm von Aras über Ihren Kopf fliegen sehen. Auf dieser außergewöhnlichen Tour finden Sie sogar Reptilien wie Alligatoren, Anakondas und Boas, man ist schließlich im Regenwald. Ich war begeistert, mit wie viel Sorgfalt und Hingabe dieser Park inmitten des Dschungels errichtet wurde, vornehmlich um bedrohte Tierarten zu schützen.
Die immer gern angebotene Bootstour inklusiver Dusche auf dem Iguaçu soll ein wahnsinniges Erlebnis sein; ich habe es mir erspart. Die Wasserfälle aus den verschiedensten Perspektiven zu sehen ist eins, darunter zu fahren und geduscht zu werden ist ein anderes. Hat sehr viel Spaß gemacht, hörte ich von Überlebenden und beglückwünschte mich trotzdem zu meiner Abstinenz, als ich unter der komfortablen Dusche meines Bades im Belmond Hotel den Schweiß des Tages abwusch.
Geht Ihre Reise zum Iguaçu zu Ende? Mein Rat: Fliegen Sie nicht gleich hastig am Abend zurück oder weiter, wohin es Sie auch zieht. Der letzte Abend, der letzte Drink auf der Terrasse geben erst die notwendige Muße, um die so vielfältigen Eindrücke noch einmal am geistigen Auge vorbei ziehen zu lassen und die Geräuschkulisse der Fälle, jetzt abgemildert und mehr von den Vogelstimmen des Regenwaldes dominiert, zu speichern. Da bekommt eine Caipirinha auf einmal einen ganz besonderen Stellenwert.
Mich zog es übrigens zurück nach Rio de Janeiro und auf ein Kreuzfahrtschiff. Es ging quer durch den Südatlantik, über den Äquator, weiter durch den Nordatlantik, zurück gen Europa: „Welch ein Timing“ hatte ich zu Beginn geschrieben, denn vor wie hinter uns gingen die Tore der Welt Zug um Zug zu. Gerade noch mal heil zu Hause angekommen! Aber wann hatte man jemals zuvor eine wie nun von Corona diktierte Muße, die Eindrücke einer ungewöhnlichen Reise und ganz besonders die Bilder und Geräusche von Iguaçu zu verarbeiten. Die alten Erinnerungen und die aktuelle Auffrischung bleiben fest in der Erinnerung verhaftet.