Edinburgh: Ein zauberhaftes Hochzeitstags-Wochenende in der schottischen Hauptstadt
Whisky, Lachs & Gruselgeschichten – vor uns liegt ein spannender
Auftenthalt…
„Wie wäre es denn mit Edinburgh?“ schlage ich einer spontanen Eingebung folgend vor, als mein Mann mich fragt, was wir in diesem Jahr an unserem Hochzeitstag machen wollen. Ein Ort, an dem der Whiskey in Strömen fließt und die Lage am Meer gute Restaurants mit Meeresfrüchten und Fisch erwarten lässt? Seine Zustimmung ist mir sicher.
Der Groll kurz nach Ankunft auch, als klar ist, dass es zwischen der Endstation des Flughafenbusses und unserem Hotel eine steile Treppe zu erklimmen gilt. An der Rezeption kann sich der Mitarbeiter nur mühsam das Grinsen verkneifen, als wir leicht außer Atem einchecken. „Ja, ja, die Kartenführung in den Smartphones wählt leider immer die beschwerliche Route, statt die etwas längere über die Straße außen herum.“ Wenn Blicke töten könnten…
„Ich glaube, wir müssen jetzt erst einmal mit einem Bier anstoßen,“ versuche ich geschickt ein anderes Thema anzuschneiden. Wir wohnen quasi direkt an der „Royal Mile“. Kaum biegen wir auf selbige ein, dröhnen uns von der nächsten Straßenecke Dudelsacktöne entgegen. Wir originell! Ein mit Schottenrock bekleideter Mann als Straßenmusiker… Zwischen den unzähligen Geschäften, die Kaschmirware feilbieten, entdecken wir tatsächlich einen Pub und stillen unseren kleinen Hunger.
Edinburgh: Unterwegs in der Unterstadt
Dann wird es auch schon Zeit, meinen Mann in die Unterwelt zu lotsen. An diesem Nachmittag werden wir auf den Spuren der Kaufmannsfrau Mary King wandeln, die im 17. Jahrhundert im heute gleichnamigen Close, zu deutsch Gasse, lebte und arbeitete. Auf Grund des raschen Bevölkerungswachstums und Mangel an Baugrund wuchs Edinburgh in die Höhe, einige Gebäude waren bis zu acht Stockwerke hoch, die Gassen zwischen ihnen jedoch mehr als eng. Edinburgh’s Expansionshunger bereitete dem Gewirr aus Handwerkern, Fleischern, Menschenmassen, fliegenden Händlern und Hunden, die sich hier tummelten, ein jähes Ende: Mit dem Bau des Royal Exchange wurden die Gasse samt Häusern von oben abgeriegelt und auf dem Grund komplett neu gebaut.
Die „Stadt unter der Stadt“ verfiel, bis sie von Archäologen wieder entdeckt und liebevoll restauriert wurde. Mit authentischen Möbeln und Gegenständen aus der alten Zeit versehen, lässt unsere Führerin sehr lebendig die Beengtheit und mangelnden hygienischen Zustände der Vergangenheit vor unseren Augen lebendig werden. „Vorsicht! Der Kübel wird entleert, alle Mann aus der Gasse weg!“ ruft sie laut und weist zum Fenster hinunter auf das Kopfsteinpflaster, wo die Fäkalien der umliegenden Gebäude in einer kleinen Rinne ihrem endgültigen Bestimmungsort außerhalb der Stadtmauern entgegen flossen… Kein Wunder, dass diese Umgebung im Jahr 1645 für die ausbrechende Pestepidemie der Stadt ein äußerst fruchtbarer Boden war.
Als wir nach der einstündigen Tour wieder das Tageslicht erblicken und ich erleichtert die frische Luft in meine Lungen sauge, betrachte ich das Kopfsteinpflaster der Royal Mile mit neuen Augen – wenn die Touristen wüssten, welche Dramen sich unterhalb ihrer Fußsohlen einst abspielten, welche Schicksale dort ihren Lauf nahmen…
Dinner im Cannonball
Das schöne an Edinburgh, vorausgesetzt man wählt ein zentral gelegenes Hotel, ist die Möglichkeit, die Restaurants und Pubs der Wahl abends zu Fuß zu erreichen. Für den Hochzeitstag haben wir das Cannonball, direkt unterhalb von Edinburgh Castle gelegen, ausgewählt.
Auf der Webseite wird stolz verkündet, dass Schottland über 11.800 Kilometer Küste verfügt und nur 154 Kilometer Binnenlandgrenze… weswegen frischer Fisch seit jeher eine wichtige Rolle in der schottischen Küche spielen würde.
Uns läuft bereits das Wasser im Mund zusammen. Doch zunächst genießen wir bei einem Glass „Bubbly“ – wir hatten bei der Buchung den Anlass angegeben – die Aussicht auf die Burg und den Blick in die Karte. Nach schottischem Räucherlachs und Jakobsmuscheln als Vorspeise können wir beide dem lokalen Lobster nicht widerstehen, der aus Dunbar, nur eine halbe Stunde entfernt direkt an der Ostküste, stammt.
Beim Nachtisch wollen wir eigentlich passen. Als dann aber unaufgefordert von der Küche ein liebevoll dekorierter Schokoladengruß an unserem Tisch kredenzt wird, können wir natürlich nicht nein sagen und sind froh, dass unser Hotel uns nur wenige Minuten zu Fuß entfernt mit dem ach so gemütlichen Bett erwartet.
Gibt es hier noch Geheimtipps für Edinburgh?
Beim Wort „Geheimtipp“ in Verbindung mit einem Reisebericht haben sich bei mir von jeher die Nackenhaare aufgestellt. Leute, wenn irgendein Journalist öffentlich darüber berichtet, ist es doch nicht mehr geheim! Dennoch freue ich mich am nächsten Morgen auf die gebuchte Tour „Hotspots und versteckte Besonderheiten“ mit Tania, einer Portugiesin, die uns ein paar weniger bekannte Ecken der schottischen Hauptstadt zeigen will. Es ist ein klarer, aber recht kalter Herbsttag. Da wir eine private Tour gebucht haben, geht Tania flexibel auf unsere Wünsche ein, vermeidet die steilen Treppen in die Altstadt und führt uns zunächst zur Statue von John Knox im Innenhof des New College. Irgendwie erinnert mich sein Konterfei an Professor Dumbledore aus der Harry-Potter-Serie, was wahrscheinlich kein Wunder ist, da doch seine Erschafferin, die Autorin J.K. Rowling, in Edinburgh gelebt hat und aus den mystischen Orten der Stadt zahlreiche Anregungen für ihre Romanfiguren zog.
Der Weg „von hinten“ an Edinburgh Castle heran sowie durch ein Neubaugebiet des Univiertels ist in der Tat etwas, das in den gängigen Reiseführern so nicht erwähnt wird. Dennoch denken wir am Ende der Tour, dass unsere sympathische Reiseführerin mehr aus der Tour hätte machen können, da die Stadt so zahlreiche, verwinkelte Innenhöfe und Gassen hat, zu denen es ganz sicher spannende Geschichten zu erzählen gibt. In Eigenregie besuchen wir noch den Greyfriars Kirkyard, einen Friedhof, auf dem das Grab von Thomas Riddell eine weitere Reminiszenz an die Zauberlehrlingssaga der berühmten schottischen Schriftstellerin ist.
Endlich: Whisky!
Allmählich verspüre ich bei meinem Mann eine leichte Nervosität: Wir sind schon mehr als 24 Stunden in der Stadt und haben noch keinen Whisky aus nächster Nähe gesehen! Zeit, das zu ändern! Die Scotch Whisky Experience ist mir vom letzten Besuch noch in bester Erinnerung geblieben. In halb aufgeschnittenen Fässern geht es zunächst ein wenig Disney-mäßig an Hologrammen und Filmsequenzen vorbei, die den Produktionsprozess erläutern. Die Whiskysammlung mit ihren fast 4.000 Flaschen des leuchtenden goldenen Branntweins ist legendär, leider jedoch nicht Bestandteil unserer heutigen Tour. Wir haben die „Tasting Tales“ gebucht. Uns werden vier verschiedene hochwertige Whiskys präsentiert mit dazu passenden Häppchen, quasi Tapas & Whisky, während ein engagierter Mitarbeiter uns die Geschichten der Destillerien und der Entstehung der goldgelben Flüssigkeiten erzählt. Selbstverständlich ist auch diese Tour darauf ausgelegt, beim Verlassen des Gebäudes im Verkaufsbereich die Kreditkarte zu zücken und kräftig zuzuschlagen. Selbstverständlich tun wir ihnen den Gefallen…
Zum Ausklang Hexen & Meeresfrüchte
Am letzten Tag schlendern wir noch einmal über die Royal Mile. Ich frage mich, ob es eigentlich mildernde Umstände gibt, wenn man einen Dudelsackspieler erschlägt? Der Weg führt uns Richtung Edinburgh Castle zum Hexenbrunnen. Ein düsteres Kapitel der Stadtgeschichte besagt, dass zwischen 1500 und 1600 etwa 300 Frauen in Edinburgh verbrannt oder erhängt wurden, da man sie der Hexerei bezichtigte. Das ist wirklich gruselig!
Mit den Gedanken an diese Barbarei wollen wir das Wochenende natürlich nicht beschließen und steuern ein letztes Mal ein hervorragendes Fischrestaurant an: In der White Horse Oyster & Seafood Bar bekommen wir ohne Reservierung so gerade eben noch einen Tisch und schwelgen kurz darauf in der Auswahl der kleinen Gerichte zum Teilen, die uns die freundliche und kompetente Kellnerin empfohlen hat. Ein köstliches Finale für ein rundum gelungenes Hochzeittags-Wochenende!
Über den Absacker in Form eines fantastischen Gin & Tonic im Vodoo-Room könnt Ihr in der PDF-Ausgabe Winter 2019 alles nachlesen.
Fakten zu Edinburgh
Edinburgh ist mit etwa 518.500 Einwohnern nach Glasgow die zweitgrößte Stadt Schottlands. Die Stadt liegt in Lothian an Schottlands Ostküste auf der Südseite des Firth of Forth. Nur etwa 15 Kilometer nordwestlich überspannt die Forth Bridge den Firth of Forth. Zehn Kilometer östlich der Stadt befindet sich der Strand von Portobello.