Königlich wohnen
Als unser Auto um die Kurve auf dem Hügel biegt, auf dem der Umaid Bhawan Palace thront, halte ich unwillkürlich den Atem an. Ein imposanter Palast tut sich auf, der eines Königs würdig ist – und der lebt hier ja schließlich auch noch!
Das Gebäude zählt zu den größten Privatresidenzen der Welt. Kein Wunder, dass für seine Erbauung 15 Jahre ins Land gingen. Dabei zählt der Umaid Bhawan Palace gar nicht mal zu den alten, historischen und herrschaftlichen Häusern, für die Rajasthan so bekannt ist. Ganz ehrlich? Er war eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Und was für eine! Nachdem drei Jahre in Folge der Monsoon ausgeblieben war, kam Maharaja Umaid Singh Ji im Jahr 1928 auf die Idee, für die Stadt einen neuen Palast bauen zu lassen und so einem Großteil der Bevölkerung für die Dauer der Bauzeit Arbeit und Lebensmittel zur Verfügung zu stellen. Für die Umsetzung gewann er den englischen Architekten Henry Lanchester.
Heraus kam ein Monumentalwerk aus gelbem Sandstein in einer verblüffenden Mischung aus Art Déco Stil durchsetzt mit hinduistischen Tempelelementen. Nach der Fertigstellung im Jahr 1943 bezog die indische Herrscherfamilie den Palast als Privatresidenz und bewohnt nach wie vor einen Flügel. Ihr ist es zu verdanken, dass das Haus weniger wie ein Hotel, sondern mehr wie eine private Residenz geführt wird – auch heute noch.
Wir beziehen die Maharaja-Suite. Die hohen Räume sind durchsetzt mit erlesenen Art Déco Möbeln. Die Innenausstattung des Palastes zählt heute zu den best erhaltenen Art Déco Sammlungen der Welt und lockt zahlreiche Kenner und Liebhaber dieser Epoche hierher nach Rajasthan.
Ich lasse mich auf der Ruhlmann Couch im Wohnzimmer nieder. Mein Mann verschwindet Richtung Badezimmer – er will wohl das Dampfbad testen. Ich bitte ihn, sein Handy mitzunehmen. Die Suite ist zu riesig, als dass man sich in normaler Lautstärke über die gesamten Ausmasse hinweg unterhalten könnte. Im Übrigen befürchte ich, ihn in der Zimmerflucht nicht wieder zu finden und hoffe, ihn wenigstens über die GPS-Koordinaten seines Telefongerätes im Zweifelsfalle orten zu können.
Es klopft diskret an der Tür – unser Mittagessen wird serviert. Gleichzeitig erhalten wir eine Einladung, uns abends in der Trophy Bar einzufinden, die Sales- und Marketingdirektorin möchte uns gerne persönlich begrüßen.
Bis dahin besuchen wir – mein Mann ist wieder aufgetaucht – die andere große Sehenswürdigkeit Jodhpurs – das Mehrangarh Fort. Es thront beeindruckend über der Stadt und ist mit seiner 125 Meter hohen Mauer eine Festung, die ihren Namen verdient hat. Das Innenleben ist hervorragend erhalten – besser als viele der anderen Festungen und Paläste Rajasthans – und vermittelt auch heute noch einen recht lebendigen Eindruck der einstigen Lebensweise in diesen Gemäuern.
Wir lassen die Festung hinter uns und schlendern durch den quirligen Basar, der von der Stadt- und Landbevölkerung gleichermaßen für die Einkäufe des täglichen Bedarfs frequentiert wird. Man wirft uns neugierige Blicke zu, aber wir werden nicht wie an den touristisch stärker frequentierten Orten im Norden Indiens bedrängt, etwas zu kaufen.
Unser Reiseführer schleppt uns in einen Textilienladen. „Ist ja nur, um Euch die einzigartige Webkunst Rajasthans zu zeigen“, beruhigt er uns, als wir ihm klarmachen, dass wir auf der bisherigen Reise an genügend Verkaufspräsentationen für den Rest unseres Lebens teilgenommen haben. Natürlich lassen wir uns am Ende weichklopfen und erstehen ein paar wirklich schöne und exquisite Schals für – im Vergleich zu Europa – wenig Geld.
Es wird Zeit, in den Palast zurückzukehren. Mamtah Singh, die Marketingchefin, wartet schon in der Trophy Bar. Bald darauf sind wir ins Plaudern gekommen. Wie es ist, in so einem beeindruckenden Haus zu arbeiten, will ich von ihr wissen. „Spannend“, sagt Mamtah, „zumal Du hier häufig Mitgliedern der königlichen Familie begegnest. Ich kenne sie schon von klein auf, als Kind habe ich sogar im Palast gespielt. Da fühlt sich das für mich relativ natürlich an. Aber unsere Gäste sind schon manchmal ziemlich beeindruckt, wenn sie nach dem Besuch im Schwimmbad erfahren, dass der freundliche Herr neben ihnen auf dem Liegestuhl der Maharaja war.“
Was denn die Gäste sonst noch so für außergewöhnliche Erfahrungen in diesen Gemäuern machen, will ich von ihr wissen. Mamtah lacht. „Nun, zunächst haben einige Gäste leichte Umstellungsschwierigkeiten, sich an den königlichen Service hier zu gewöhnen. Du musst wissen, dass die Familie des Maharajas sich ein starkes Mitspracherecht beim Umbau als Hotelbetrieb sowie mittlerweile auch bei der Art und Weise, wie das Haus geführt wird, ausbedungen hat. In erster Linie betrachten sie es immer noch als private Residenz, nicht als Hotel, und so sollen die Gäste sich auch hier fühlen. Das führt gelegentlich dazu, dass mir ´Beschwerden´ zu Ohren kommen, dass wir als internationale Luxus-Hotelkette ja noch nicht einmal Kaffeemaschinen auf den Zimmern zur Verfügung stellen. Aber ich bitte Dich, wer würde als Gast des Maharajas sich seinen Kaffe wohl selber kochen? Da ruft man hier ganz einfach den Palast-Service an und schon wird einem das gewünschte gebracht.“
Mittlerweile türmen sich auf dem Cocktailtischchen vor uns diverse kleine Köstlichkeiten, die der Küchenchef uns zum Testen hat servieren lassen. Nun will Mamtah von mir wissen, wie wir den Tag verbracht haben. Ich erzähle ihr von dem fantastischen Ausblick, den wir vom Fort auf die blaue Stadt, wie Jodhpur auch heisst, genossen haben und berichte stolz von unseren Einkäufen. Mamtah weiss sofort Bescheid: „Ach, da wart Ihr dann bei Maharani Art Exporters. Gute Qualität, aber natürlich viel zu teuer, die musst Du ziemlich herunterhandeln.“ Sie blickt in mein entsetztes Gesicht. „Alles halb so wild, denk doch nur mal daran, was Du für diese Qualität in Deutschland hättest bezahlen müssen.“ Recht hat sie.
Es ist Zeit für unser Abendessen. Mamtah hat den Baradari Pavillon im Garten für uns herrichten lassen. Wir schreiten die mit Kerzenlichtern dekorierten Stufen in den Garten herunter und nehmen auf niedrigen Polstern an einem kleinen Tisch Platz. Während im Hintergrund ein Musiker für uns indische Blockflöte spielt, werden für uns die verschiedensten Köstlichkeiten der Küche Rajasthans aufgefahren.
Am darauf folgenden Tag verlasse ich nur äußerst ungern diese gastlichen Gemäuer, und bin wirklich froh, dass unser indischer Partner darauf bestanden hat, dass wir Jodhpur in unseren Reiseplan mit aufnehmen. Reisenden mit Ziel Rajasthan würde ich unbedingt empfehlen, es uns gleichzutun, allerdings mindestens zwei Nächte hier einzuplanen. Und sich natürlich von der Gastfreundschaft der königlichen Familie im Umaid Bhawan Palace verwöhnen zu lassen!
Die Unterkunftsmöglichkeiten
22 Zimmer, 24 Historische Suiten, 16 Königliche Suiten, 1 Grand Royal Suite und 1 Grand Presidential Suite.
Informationen & Buchung
Umaid Bhawan Palace
Jodhpur – 342 006
Rajasthan
Indien
Tel.: +91-291-251 0101
Fax: +91-291-251 0100
umaidbhawan [dot] jodhpur [at] tajhotels [dot] com
www.tajhotels.com
Der Umaid Bhawan Palace wird von der Hotelkette Taj betrieben und ist Mitglied bei den Leading Small Hotels of the World.
Text: jb