Mallorca: Finca Es Verger
Die Mutter aller Lammuschulter stammt aus Alaro
Die Anfahrt ist mühsam – aber sie lohnt sich! Auf nach Alaro zur Finca Es Verger
Der Weg zur Finca Es Verger ist das Ziel
„Schau doch nur mal!“ Aufgeregt zeige ich zu meiner Rechten auf die weite Ebene unterhalb der Sierra Tramuntana in Richtung Palma, die sich hinter der Spitzkehre, die unser spanischer Kleinwagen soeben tapfer umrundet hat, unter uns auftut. „Nicht jetzt“, zischt es vom Fahrersitz kurz angebunden herüber. Da höre ich auch ein schon ein kräftiges Hupen. Ich blicke nach vorne, und sehe sofort, was die Aufmerksamkeit meines Mannes gerade erheblich mehr fesselt, als der sagenhafte Ausblick, der sich uns an diesem strahlend sonnigen Wintertag bietet: Es ist das uns entgegenkommende Fahrzeug, gefühlt doppelt so breit wie das unsrige. Einziges Problem: Die Bergstraße hinauf zur Finca Es Verger und dem darüber liegenden Castell de Alaró ist genau so breit, dass unser Auto gerade eben noch draufpasst, ohne dass die Räder in den Abgrund rutschen.
Vorsichtig bugsiert mein Mann das Vehikel an die Felskante zu unserer Linken und faltet den Kleinwagen elegant zwischen Ausbuchtung und Straßengraben. Noch zwei weitere Spitzkehren und dann haben wir endlich unser Ziel erreicht.
Ja, die beste Lammschulter Mallorcas will hart erarbeitet werden. Heute mogeln wir zwar und kämpfen uns „nur“ mit dem Auto den Berg hinauf. Wer jedoch vor dem Essen Kalorien abtrainieren will, kann noch den Wanderweg hinauf zur Burgruine Castell d’Alaró erklimmen – oder den Weg vom Dorf Alaró hinauf zur Finca. Wir halten es heute mit „Kann man machen, muss man aber nicht.“ Wir sind hungrig, wir wollen unmittelbare Resultate!
Bange Frage: Ist noch Lammschulter da?
Auf dem Parkplatz herrscht bereits reges Treiben. Wir steigen aus, laufen am Objekt der Begierde vorbei und betreten den schlichten, aber urigen Gastraum. Vom Holzkohlefeuer weht uns ein würziger Rosmarinduft entgegen, untermalt vom Stimmengewirr und Geklapper mit Besteck und Geschirr der bereits anwesenden Gäste.
Francisca, die Wirtin begrüßt uns knapp. Herzlichkeit ist wahrlich nicht ihre hervorstechendste Eigenschaft. Erste bange Frage: Ist noch Lammschulter da? Wegen der sind wir hier, legendär ist ihr Ruf mittlerweile auf der Insel. Zwar werden hier zwischen 300 und 400 Essen pro Tag ausgegeben, aber es ist uns auch schon passiert, dass wir nur ein Achselzucken ernteten und den kurzen Hinweis „Lammschulter ist heute schon aus“. Wir haben Glück, sind heute noch nicht zu spät dran. Wir bekommen zwei Plätze an einem einfachen Holztisch zugewiesen, an dem sich andere Gäste bereits mit großem Appetit über ihre Köstlichkeiten vom offenen Feuer hermachen. Wir nehmen die mangelnde Privatsphäre billigend in Kauf, verschieben romantische-vertrauliche Gespräche auf die Abendstunden. In der Finca Es Verger steht ganz klar das Essen im Mittelpunkt!
Der Rotwein ist ein Thema für sich
Die alte Wirtin ist an unserem Tisch aufgetaucht. „Ihr nehmt schon einen Rotwein, oder?“ Es ist eher eine Feststellung denn eine Frage und schon stellt sie eine Flasche roten mallorquinischen Landwein vor uns hin. Vom Fass in einfache Flaschen umgefüllt, ohne Etikett und mit unterschiedlichen Füllhöhen, anschließend manuell verkorkt, würde jeder deutsche Restaurantkritiker oder Prüfer der Gesundheitsbehörden wahrscheinlich an dieser Stelle fluchtartig das Restaurant verlassen. Wir jedoch sind bekennende Wiederholungstäter und wissen: Nichts passt besser zum Schafskind als dieser einfache, aber sehr süffige Rotwein.
Kurze Zeit später steht auch schon der Teller mit dem herrlich saftigen Fleisch vor uns, die andere Hälfte des Geschirrs ist mit in Rosmarin und Öl gebackenen Kartoffeln bedeckt. Immerhin hat Francisca einen Sinn für Optik (oder Vitamine?) und hat dem Gaumenschmaus noch ein paar Salatblätter und Tomaten hinzugefügt.
Krönender Abschluss in der Finca Es Verger: Der Cremadillo
Während wir zufrieden vor uns hinkauen, nehmen unsere Tischnachbarn allmählich Kontakt mit uns auf. Die Zwangsvereinigung mit Fremden durch die Gastwirte endet hier nicht selten mit einer Verbrüderungsaktion. Vor allem, wenn man sich nach des Fleisches Genuss gemeinsam darauf einigt, das Mahl mit dem berühmten hausgemachten „Cremadillo“ zu beschließen.
Mein Mann, der den steilen Hügel auch wieder herunterfahren will, muss leider passen. Inge und Thomas – bei Lammschulter und Rotwein landet man schnell beim Du – überreden mich, bei ihrem Cremadillo mit einzusteigen. Das auf dunklem Rum und Cognac basierende Hexengebräu wird in einem Tontopf serviert, anschließend flambiert und dann heiß genossen. Irgendwie brennt es aber nie lange genug, um den Alkohol komplett zu vernichten.
Eine Ewigkeit später sitzen wir im Auto und mein Mann rollt den Berg hinab. Bin ich froh, dass ich den jetzt nicht hinunterlaufen muss!