Toka Leya Camp in Sambia – Wo die Wildnis Vorfahrt hat
Zwischen der Provinzstadt Livingstone und den Victoria Fällen steht ein Busch Camp… Toka Leya!
„Als das Toka Leya Camp gebaut wurde, haben wir versucht, so wenig wie möglich in die Silhouette des Flusses einzugreifen…“ erklärt mir Steve Phiri, der Front Officer des Camps, das sich malerisch ans Flussbett des „Mighty Zambezi“ schmiegt. „…und trotzdem ausreichend Sicherheit und Komfort zu bieten.Wir verfügen über zwölf Safarizelte, einen großen Restaurantbereich und einen Fitnessraum.“
Das Toka Leya Camp liegt im Mosi-oa-Tunya National Park etwa 30 Minuten ausserhalb der Provinzhauptstadt Livingston und noch einmal 30 Minuten entfernt von den Victoria Fällen. Der nur kurze Weg könnte als Indikator verstanden werden, es handle sich um eine Art „Bushcamp light“, tatsächlich ist man in diesem Teil Sambias bereits wenige Meter jenseits menschlicher Behausungen mitten in der Wildnis. Was sich bei der Ankunft schon beweist, nach der herzlichen Begrüßung durch die Angestellten des Camps, zeigen alle warnenden Finger auf die Buschreihe wenige Meter außerhalb des Lagers: Wilde Elefanten zupfen völlig ungerührt aller menschlichen Aktivitäten nur noch spärlich vorhandene Blätter von den Bäumen. Eine mächtige Kuh allerdings droht uns doch, schüttelt ihren schweren Kopf indigniert hin und her, starrt laut durch den Rüssel prustend und mit aufgestellten Ohren in unsere Richtung. Denn sie hat ein Kalb bei sich. Unmissverständlich macht sie klar, wer im Busch das Sagen hat – wir, die Menschen sind es jedenfalls nicht. Und dass Unbill droht, sollte sich jemand dem Jungtier nähern.
Toka Leya Camp vom Sambesi aus gesehen
Ein Dickhäuter hautnah an unserem Zelt
Elefant auf dem Holzweg
Viele Camps in Afrika wurden nach einem bewährten Prinzip gebaut. Zelte, Hütten oder Bungalows stehen auf hohen Plateaus, die hölzernen Verbindungswege wurden ebenfalls auf Stelzen angelegt. Dadurch erlangt man ein klein wenig mehr Sicherheit, kann sich tagsüber gefahrlos zwischen den Gebäbäuden bewegen. Und behindert den Wildwechsel nicht, die meisten Grasfresser laufen einfach ungestört darunter durch, um ans überlebenswichtige Wasser zu gelangen.
Für Elefanten freilich reicht das nicht und damit die bisweilen unwirschen Gesellen die Stege nicht einreißen, wurden die Laufplanken an mehreren Stellen auf Bodenhöhe abgesenkt. Gerade hier gilt: Die Dickhäuter haben Vorfahrt, sollte man sich zeitgleich auf Augenhöhe begegnen, wie es mir – siehe Bild – passiert ist.
Auch auf den Camp-eigenen Wegen gilt: Besser den Elefanten Vorfahrt lassen!
Das Flussbett ist ausgetrocknet
Die Trockenheit macht allen zu schaffen
Es ist Spätsommer am mächtigen Fluss, der in diesen Tagen gar nicht so stattlich erscheint, riesige Flächen des Flussbettes liegen trocken, im deutlich schmaler als üblichen gewordenen Flusslauf drängen sich Flusspferde und Krokodile. Statt sattem Grün dominieren grau-braune Farbtöne die Szenerie.
Seit Tagen prognostiziert man Regen, der so dringend benötigt wird, um Flora wie Fauna am Leben zu halten. In der Tat: die großen wie kleinen Tiere wirken phlegmatisch, haben eingefallene Flanken, zeigen deutlich Rippenbögen.
Während das Gepäck auf die Zelte verteilt wird, unternehme ich einen Spaziergang entlang der Wasserlinie. Hier traf ich Steve zum ersten Mal, der mich umgehend ins Camp zurückbeorderte, denn Sicherheit gibt es nur in der Anlage, es ist weder erlaubt noch ratsam, in Reichweite von Flusspferden, Krokodilen und Elefanten „herumzulungern“.
Steve Phiri ist 38 Jahre alt, verheiratet mit einer Lehrerin. Er hat zwei leibliche und ein adoptiertes Kind. Seit einiger Zeit betreut er Gäste des Camps vom Schreibtisch aus, in den Jahren zuvor fuhr er selbst mit ihnen in Jeeps und Booten auf Safari. Steve beschreibt mir die drei wesentlichen Möglichkeiten, die winzigen, großen und gigantischen Naturereignisse der Region zu erfahren.
Steve Phiri „fischt“ mich aus dem Flussbett
Ein Krokodil sonnt sich am Ufer des Zambezi
Victoria Fälle
„Mosi-oa-Tunya“ in der Sprache der einheimischen Kololo, zu deutsch: donnernder Rauch. Der europäische Name des Wasserfalls stammt vom schottischen Missionar und Afrika-Entdecker David Livingstone, der von der gewaltigen Schönheit dermaßen beeindruckt war, dass er ihnen den Namen seiner Königin – Victoria – gab. Die Bezeichnung der Kololo beschreibt, wie die Wasserfälle auf seine Besucher wirken: Wenn der Sambesi in der Regenzeit hoch steht, bildet sich ein Sprühnebel, der wie Rauch bis zu 300 Meter in den Himmel reicht, weil Wasser von einer Breite von 1.700 Metern kommend in eine Schlucht stürzt, die lediglich 50 Meter weit und 110 Meter tief ist! Zu Spitzenzeiten können das gut und gerne 10.000 Kubikmeter in der Sekunde sein… So verwundert es kaum, dass rund um die Wasserfälle herum eine eigene Vegetation entstanden ist: Ein Mini-Regenwald! Und dann ist er auch Kilometer weit zu hören – es donnert.
All dies kann man in diesen Tagen nur erahnen. In Sambia nutzt man „den Mächtigen“ zur Erzeugung von elektrischer Energie, zweigt eine großen Teil des Flusses ab. Im Ergebnis liegt der sambische Teil der Victoria Fälle in der wasserarmen Saison meist trocken. Aber in Simbabwe führt der Fluss noch Wasser, die Grenze ist nur wenige Kilometer vom Camp entfernt. Es lohnt sich, bei der Einreise in Sambia, ein Doppelvisum für beide Staaten zu erwerben, was den Grenzwechsel von einem Land in das andere erheblich beschleunigt. „Sie haben Glück, dass es im Moment so wenig Wasser gibt“, erklärt mir Abiat, der mich auf meinem Ausflug begleitet und so ziemlich alles zu den Victoria Fällen weiß, „in der Regenzeit wären wir so nah bei den Fällen schon nass bis auf die Haut…“ erzählt er, „…und fotografieren könnte man gar nicht mehr. Wenn die Kameras nicht nass sind, sind sie beschlagen. Der Boden ist glitschig, es wäre viel zu gefährlich so nah an die Kante zu treten.“ Klare Bilder ergeben sich dann nur noch aus großer Distanz, von einem Flugzeug aus zum Beispiel, was man ganzjährig auch buchen kann.
Und: Auf der gegenüberliegenden Seite der Schlucht tummeln sich Menschen in einem Wasserloch, das direkt an der Abrisskante liegt, der berühmte „Devil‘s Pool“. Auch dieser sanfte Nervenkitzel, das liegt auf der Hand, kann nur bei Niedrigwasser erreicht werden. Egal ob Hoch- oder Niedrigwasser, ich bin zutiefst beeindruckt von diesem Naturschauspiel und eigentlich ganz zufrieden, in Ruhe Bilder machen zu können. Und für jede sanfte Gischt, die vom Fluss herüber weht dankbar, denn es ist brüllend heiß.
Blick auf die Victoria Wasserfälle von Simbabwe aus
Wagemutige im „Devil’s Pool“
Mosi-oa-Tunya-Nationalpark
Auf nur 66 Quadratkilometer erstreckt sich grenzüberschreitend dieses Schutzgebiet. Man kann den Park in wenigen Stunden auf einer Rundfahrt entlang des Flusses erkunden, als Selbstfahrer oder in organisierten Gruppen. Wildtiere wie Antilopen, Zebras, Giraffen und Elefanten waren mehrheitlich in der Region nicht mehr anzutreffen, hier im Park hat man sie erfolgreich wieder angesiedelt. Die eigentliche Attraktion aber sind die Breitmaulnashörner (Ceratotherium simum)! Denn in ganz Sambia gibt es genau zehn (!) lebende Tiere, acht leben im Mosi-oa-Tunya-Nationalpark.
Steve kontaktiert eine spezielle Abordnung der Parkranger, so bekomme ich die Chance, bis auf wenige Meter an die Dickhäuter heranzukommen.
Die Männer tragen keine Jagdgewehre, sondern Schnellfeuerwaffen russischer Bauart. Ihre Aufgabe ist es nicht, dafür zu sorgen, dass die Urlauber nicht von den Tieren angegriffen werden. Sondern umgekehrt: Sie schützen die Nashörner vor Wilderern, deren Beute das Horn ist, der Schwarzmarkt-Kilopreis liegt derzeit bei circa 8.000 US$!
Wie viele dieser Wachmänner es gibt und wie genau die arbeiten, wird aus verständlichen Gründen nicht verraten, es sind aber deutlich mehr als Tiere.
Einer der Ranger erzählt mir, dass diese spezielle Art der Hornträger im englischen „White Rhino“ genannt wird. Was darauf zurückzuführen sei, sagt der Mann lachend, „…dass die Engländer einfach nicht zuhören können!“ Denn gemeint sei „wide“ also breit, bezogen auf das breite Maul, nicht weiß, die Farbe gewesen…
Nashörner zum Greifen nah
Die Nashörner werden rund um die Uhr bewacht
Flussfahrten vor dem Toka Leya Camp
Mit den letzten Stunden des Tages empfiehlt sich eine Bootstour. Es ist die Gelegenheit, den für Safari-Urlauber obligatorischen „Sun Downer“ auf dem Sambesi zu genießen. Die Wasserfahrzeuge sind bequem, gemächlich geht es in der nun schmaleren Fahrrinne den Fluss hinauf . In diesen Tagen bekommt man viel zu sehen, auch hier erweist sich – zumindest für Naturbeobachter – der geringe Wasserstand als Segen: Überall sind Krokodile, Flusspferde, Elefanten, viele Vogelarten gut zu sehen. Und ohne das Donnern der Victoria Fälle wird es mit einsetzender Dämmerung rund um den „Mächtigen“ stiller, ein wenig mystischer vielleicht. Auf den kleinen Inseln rupfen vereinzelt ein paar Dickhäuter die letzten gründen Blätter von den Bäumen, Flusspferde graben sich tief in den Schlick, sodass nur noch Nüstern und Augen zu sehen sind, Mauersegler ziehen sich allmählich in ihre selbst gegrabenen Höhlen zurück. Nur kühler wird es nicht. Gut, dass an Bord ausreichend Getränke vorhanden sind, es ist schon ein Privileg, mitten in Afrika einen Gin & Tonic serviert zu bekommen. Und wenn dann still und glutrot die Sonne in den Sambesi taucht, begreift man, was echter Luxus ist.
Flusspferde im Sambesi-Fluss
Sonnenuntergang über dem „Mighty Zambezi“
Community Projekt des Toka Leya Camps
Hand aufs Herz: Safari Camps, zumal auf diesem Niveau sind teuer, nicht nur, aber in vorderer Linie, Weißen vorbehalten. Das Leben der schwarzen Bevölkerung sieht anders aus. Verelendung, Armut und Analphabetentum sind Realitäten. Wer es mit dem Schutz der Umwelt Ernst meint, bezieht den Menschen mit ein. Auch das tut man bei „Wilderness Safaris“. Ein Teil der Einnahmen wird darauf verwendet, unter anderem das Dorf Sinde aktiv zu unterstützen. Viele Kilometer mussten die Frauen und Kinder mehrmals täglich bei sengender Hitze zu Fuß zum nächsten Wasserloch laufen. Nun steht ein Brunnen, gebohrt mit Hilfe des Toka Leya Camps, inmitten des Dorfes, Solar-Panele liefern Energie, um die elektrischen Pumpen zu betreiben. Und das hat das Leben der Dorfbewohner erheblich verbessert.
Natürlich: Wenn man auf den staubigen Platz fährt, wirkt die Ansiedlung aus europäischer Sicht noch immer ärmlich. Aber die etwas schmuddelig wirkenden Kinder lachen aus vollem Herzen. Jetzt bin ich der Exot, mit drei Kindern an jeder Hand und machmal noch eines auf dem Arm, zeigt mir Dorothy, die offizielle Fremdenführerin der Gemeinschaft, bei einem Rundgang, wie die Menschen hier leben. Jedes Foto muss gemeinschaftlich betrachtet werden, bevor ich ein nächstes machen darf. Und damit alle gleichzeitig aufs Display schauen können, klettern die Kleinen einfach auf mich drauf… Berührungsängste hat hier keiner. Ganz im Gegenteil. Es mag primitiv und manchmal karg anmuten, aber niemand hungert. Und die Kinder strahlen, dass es einem das Herz erwärmt.
In Sinde werden wir mit einem strahlenden Lächeln begrüßt
Der Bürgermeister von Sinde – hier bei seinem Zweitjob
Die Kinder von Sinde haben keinerlei Berührungsängste
Toka Leya Camp
Neben der tollen Lage und so vieler Aktivitäten gibt das von „Wilderness Safaris“ betriebene Toka Leya Camp ein gutes Beispiel, wie man attraktive, für viele noch gänzlich unbekannte Reiseziele naturverträglich für sich erobern kann. Müll wird vermieden so gut es eben geht, allenthalben recycelt. Wenn möglich, verwendet man Lebensmittel der Region, zaubert auch damit ganz wundervolle Mahlzeiten auf den Tisch. Und das Wichtigste: Hier arbeiten freundliche und ausgesprochen humorvolle Menschen, die den Gästen ihren Aufenthalt zum Privileg machen.
Tented Suite im Toka Leya Camp
Blick von der Tented Suite im Toka Leya Camp auf den Sambesi